Eine Gestapo-Quittung als Erinnerung und Klopapier als Notlüge
Cäsar von Hofacker gehörte zu den Männern, die im besetzten Paris den Umsturz vorbereitet und am 20. Juli 1944 wie geplant alle SS- und Gestapo-Leute festnehmen lassen hatten. Nach dem Scheitern der Verschwörung wurde er am Montag, den 25. Juli in Paris festgenommen und einen Tag später einem ersten Gestapo-Verhör unterzogen.
In dem kleinen oberbayrischen Dorf Krottenmühl stiegen am gleichen Tag zwei Gestapo-Beamte aus dem Zug von Rosenheim nach Salzburg und gingen den Schotterweg bis zum idyllischen Mühlengrundstück am Ufer des Simssees. Ihr Auftrag: Im Haus der Familie von Hofacker belastendes Material sicherstellen. Doch Lotte von Hofacker war nicht ganz unvorbereitet. Am Abend des 20. Juli, als im Rundfunk die Sondermeldung über das misslungene Attentat auf den „Führer“ gesendet worden war, hatte sie alle Briefe, die ihren Mann in irgendeiner Weise hätten belasten können, im Garten verbrannt. Von den anderen, den politisch unverfänglichen, wollte sie sich nicht trennen. Sie fanden in einer kleinen benachbarten Kapelle ein sicheres Versteck.
Die beiden Gestapo-Männer stellten das ganze Haus auf den Kopf. Die Ausbeute war enttäuschend gering, aber sie fanden doch noch zwei – zum Glück völlig harmlose - Briefe, die natürlich sofort beschlagnahmt wurden. Ganz der „korrekte“ Beamte, nahm der eine sein Notizbuch hervor, und kritzelte mit Bleistift:
Krottenmühl, 26.7.44
Bestätigung
Unterzeichneter bestätigt die Sicherstellung von 2 Briefen, geschrieben von Cäsar v. Hofacker.
Wagner
Dann öffnete er den Ringverschluss entnahm das Blatt fein säuberlich und händigte es aus – als ob diese Quittung irgendeinen brauchbaren Wert gehabt hätte. Lotte von Hofacker bewahrte sie ihr Leben lang auf.
Da die Männer sich nicht mit dem mageren Resultat zufriedengeben wollten, wurde zuletzt auch noch Nadja, ein zwangsverpflichtetes Mädchen aus der Ukraine, nach den Briefen des Herrn von Hofacker befragt. Doch Nadja liebte „ihre“ Kinder und erfasste die gefährliche Situation intuitiv. Ohne irgend etwas zu wissen, antwortete sie: „Du nicht wissen? Wir sind im Krieg! Hier große Familie und nix Klopapier. Wenn kommt Brief, dann gleich aufs Klo!“
Noch Jahre später erzählte Anna-Luise, das zweitälteste der fünf Hofacker-Kinder, diese Geschichte und imitierte dabei mit Freude Nadja. So hatten die Enkel Cäsar von Hofackers lange Zeit keine wirkliche Vorstellung davon, dass diese Episode die Vorgeschichte für elf Monate Trennung und Haft darstellte. Vier Tage später, am 30. Juli 1944, erschienen die gleichen Gestapo-Leute wieder – diesmal im Auto – und nahmen Lotte und ihre beiden ältesten Kinder mit. Sie kamen in Sippenhaft, erst nach München ins Gefängnis, dann in verschiedene Konzentrationslager auf einer Odyssee quer durch das Deutsche Reich. Die drei jüngeren Kinder wurden in der zweiten Augusthälfte 44 in ein Kinderheim nach Bad Sachsa verschleppt. Erst nach einem Jahr, am 28. Juli 1945, waren alle wieder in Krottenmühl vereint. Lotte von Hofacker hatte nach ihrer Rückkehr Ende Juni drei Wochen gebraucht, bevor sie Auto, Chauffeur, Sprit und Passierschein organisiert hatte, um ihre Kinder aus der französischen Besatzungszone abzuholen. Tochter Anna-Luise schrieb in ihr Tagebuch:
Ich weiß nicht, wie ich diesen Tag beschreiben soll, er war zu erschütternd, denn heute abend kam Mutti mit den 3 Kleinen zurück. Dieses Wiedersehn nach einem vollen Jahr war so schön, daß ich es nicht weiter beschreiben kann. Am meisten verändert fand ich Goldi, aber auch Christa ist sehr viel erwachsener geworden.
Nach dem Scheitern der Verschwörung wird Cäsar von Hofacker in Paris festgenommen, am 30. August 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 20. Dezember 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee durch den Strang ermordet.
Eine Kurzbiografie von Cäsar von Hofacker mit weiteren Literaturhinweisen finden Sie hier.