„Es war aber das Recht eines Unrechtsstaates, gegen den Widerstand geboten und gerechtfertigt war.“

Gerhart Rudolf Baum

„Es war aber das Recht eines Unrechtsstaates, gegen den Widerstand geboten und gerechtfertigt war.“

Ansprache von Bundesminister a. D. Gerhart Rudolf Baum am 20. Juli 2017 in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin

Dieser Ort – Plötzensee: an diesem Ort zu sein, wo nach dem 20. Juli 1944 aufrechte Männer ermordet wurden, macht mich immer beklommen. Zu erinnern ist an die vielen – man schätzt, dass es mehrere tausend waren – in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Attentat, die Hitlers Rache traf. In den Gerichtsverhandlungen – soweit es überhaupt welche gab – bewahrten sie Haltung und Würde. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, einer der zentralen Initiatoren der Verschwörung, hielt dem brüllenden Blutrichter Roland Freisler entgegen: „Wir haben die Tat auf uns genommen, um Deutschland vor einem namenlosen Elend zu bewahren. Ich bin mir klar, dass ich daraufhin gehängt werde, bereue meine Tat aber nicht und hoffe, dass ein anderer sie in einem glücklicheren Moment durchführen wird.“ Noch am selben Nachmittag wurde er hier hingerichtet. Dieses und alle anderen Bekenntnisse der Angeklagten vor Gericht gehören zu den wichtigsten Zeugnissen des Widerstands gegen die Hitler-Barbarei. Da stand das „andere Deutschland“ vor den Richtern.

Wir gedenken heute der Männer und Frauen des 20. Juli. Wir gedenken auch all derer, die in anderen Gruppierungen und in anderen Situationen Widerstand geleistet haben – und das waren nicht wenige. „Das vollständige Bild des Widerstands muss zur Anschauung kommen“, fordert Elisabeth Ruge, die Enkelin des Grafen Schulenburg. Das ist wichtig. Viele Deutsche wissen um den Widerstand, aber sie kennen oft nur einzelne Teile. Viel zu viele aber nicht einmal diese. In der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“, ein Lern- und Begegnungsort im Bendlerblock, wo die Thematik vorbildlich aufgearbeitet wird, werden die verschiedenen Facetten des Widerstands sichtbar: Widerstand im Kriegsalltag, Widerstand von Christen, Juden, von Sinti und Roma, von Jugendlichen, von Künstlern und Intellektuellen, Widerstand von der Arbeiterbewegung, der „Weißen Rose“ , der „Roten Kapelle“, des „Kreisauer Kreis“ und Widerstand einzelner wie des Georg Elser. Politisch gesehen gab es eine Vielzahl von Netzwerken unterschiedlichster Art, von Kommunisten bis zu Deutschnationalen, die teils auch miteinander in Verbindung standen. Der 20. Juli ist zum Sinnbild des Widerstands schlechthin geworden. Es gehörten zum Widerstand Menschen aller Schichten, aller Richtungen. Später ist diese Tatsache bewusst verfälscht worden, etwa in der DDR, als die Deutung des Widerstands zwischen die Fronten des Kalten Krieges geriet.

Dennoch: der deutsche Widerstand stand weitgehend allein. Die meisten Deutschen sympathisierten mehr oder weniger mit den Nazis oder fanden sich mit den Zuständen ab. Die Weimarer Demokratie ist eben auch daran gescheitert, dass Teile des Bürgertums das Geschenk der Demokratie nicht angenommen haben. Sie haben ihrer Zerstörung tatenlos zugeschaut. So, wie später, im Jahre 1934, in der Aktion gegen den SA-Führer Röhm. Mindestens 90 Menschen, – darunter der frühere Reichskanzler von Schleicher und seine Frau – wurden auf Hitlers Befehl ermordet. Dies blieb ohne sichtbare Reaktion, obwohl alle Zeitungen darüber berichtet haben. Deutschland war zu einer Willkür-Herrschaft geworden, mit Hitler als Gerichtsherr über Leben und Tod. „Der Führer schützt das Recht“, kommentierte der Staatsrechtler Carl Schmitt diese Morde und versuchte damit eine formal-juristische Recht-fertigung.

Später – im Krieg – standen viele Deutsche im Zwiespalt. Sie mögen zunehmend Ablehnung gegenüber dem Regime empfunden haben, aber sie ließen sich vom Pflichtbewusstsein im Kampf gegen den äußeren Feind leiten – bis zum bitteren Ende. Ich habe als Junge in Dresden erlebt, wie wir uns nach dem 20. Juli 1944 als sogenanntes Jungvolk auf den Elbwiesen versammeln mussten, um die „Rettung des Führers“ zu feiern. Nicht wenige Deutsche waren erleichtert, dass das Attentat gescheitert war. Damals wussten diese Menschen noch nicht, dass die schlimmsten Verheerungen des Krieges noch kommen würden. Die wunderbare Elbkulisse Dresdens, vor der wir standen, war 7 Monate später nicht mehr da und wir – meine Mutter mit uns 3 Kindern – sind mit Mühe dem Feuersturm entkommen, der die Stadt zerstörte.

Wir wissen nicht, was nach einem gelungenen Attentat geschehen wäre. Was wäre den Menschen weltweit erspart geblieben, wenn die Nazidiktatur im Juli 1944 zusammengebrochen oder geschwächt worden wäre? Ich denke an die Mordmaschine Auschwitz, die 1944 u.a. mit der Vernichtung der ungarischen Juden voll im Gange war. Und ich denke auch an die Zehntausende von Menschen, die bei Kämpfen um Berlin im Frühjahr 1945 ums Leben gekommen sind, während der Diktator seinen Selbstmord bis zum Ende hinauszögerte. Wir müssen uns bewusst machen, dass die Verschwörer natürlich den Erfolg ihrer Aktionen wollten, dies aber nicht ihre einzige Motivation war. Sie hatten auch das Ziel, der Welt und kommenden Generationen vor Augen zu führen, dass Hitler nicht Deutschland war. Dieses Ziel haben sie erreicht.

Wie sind die Deutschen nach der Befreiung, nach der totalen moralischen und militärischen Niederlage mit dem Widerstand umgegangen? Nicht gut. Ich habe eine persönliche Erfahrung gemacht: Am 20. Juli 1947 habe ich mit anderen Mitschülern im Gymnasium Tegernsee, wo ich zeitweise nach der Flucht aus Dresden zur Schule ging – eine Gedenkfeier organisieren wollen. Sie wurde vom Lehrerkollegium untersagt, denn: Vaterlandsverräter, die den Eid auf den Führer gebrochen haben, verdienen keine Gedenkfeier. Diese Lehrer wollten nicht begreifen, dass es nicht um den Eid, sondern um das Gewissen ging. Und noch ein Beispiel: Ich kannte und kenne die Hinterbliebenen der ermordeten Kölner Edelweißpiraten, die viele Jahre als Kriminelle diskriminiert wurden. Inzwischen sind sie rehabilitiert. Jetzt veranstalten die Kölner jedes Jahr ein Fest zu ihren Ehren.

Es herrschte damals eine Schlussstrichmentalität. Einen kollektiven Verdrängungsprozess, nannte es Alexander Mitscherlich. Wir Jüngeren sollten daran gehindert werden, aufzuklären, was geschehen war. Mord sollte verjähren. Viele Täter sind niemals zur Verantwortung gezogen worden. Das geltende Strafrecht wurde so verbogen, dass es die Täter nicht traf. Die Fürsorge des Staates galt nicht in erster Linie den Opfern, sondern den Stützen des Regimes, von denen viele wieder in Amt und Würden kamen.

Männer, wie der unvergessene hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, haben gegen diese Straflosigkeit gekämpft, so mit dem gegen heftigen Widerstand erzwungenen Prozess gegen die Auschwitztäter 1963/64. In einem Einzelfall, im Jahre 1952, wurde Otto-Ernst Remer, der die Widerstandskämpfer als Landesverräter verunglimpft hatte, verurteilt – auch auf Initiative von Fritz Bauer.

Es gab ein Jahrzehnte dauerndes skandalöses Ringen um Entschädigung der Opfer von Hitlers Rache und um ihre rechtliche Rehabilitierung. Hitlers Opfer waren vor Gericht immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, geltendes Recht gebrochen zu haben. Es war aber das Recht eines Unrechtsstaates, gegen den Widerstand geboten und gerechtfertigt war. Ganz deutlich bringt das die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 zum Ausdruck. Die Völkergemeinschaft hatte sich nie zuvor so eindeutig zum Schutz der dem Menschen innewohnenden Würde bekannt. In der Präambel dieser Erklärung heißt es: „... da es wesentlich ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechts zu schützen, damit der Mensch nicht zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung als letztem Mittel gezwungen ist.“

Der deutsche Widerstand hat diesen Aufstand gewagt. Es war das letzte Mittel. Und so ist auch unser Grundgesetz angelegt, wenn es Widerstand definiert. Daraus kann man aber keinerlei Rechtfertigung ableiten, gegen diesen freiheitlichen Staat Gewalt anzuwenden. Gewalt – und das muss immer wieder mit aller Klarheit festgestellt werden – ist kein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Gewalt ist kriminell. Unser demokratischer Staat hat sich in seiner Geschichte immer offen gezeigt für neue Entwicklungen und Reformen, die mit friedlichen Mitteln erreicht werden können.

Der Widerstand gegen Hitler findet heute Anerkennung. Nicht zuletzt war es der kritischen jungen Generation schon in den 1960er und 1970er Jahren gelungen, das Schweigen zu durchbrechen. Viele zeithistorische Untersuchungen, Dokumentationen, Biographien, Erinnerungen – gedruckt oder als Film – haben dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft sich vielfältig und selbstkritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Es hat keinen Schlussstrich gegeben – bis heute. Der Diskurs hält an. Ein jüngstes Beispiel ist Albert Speer, der sich als unpolitischer Technokrat inszenierte, aber ein übler Kriegsverbrecher war, wie Magnus Brechtken nachweist. Für viele Deutsche war er in den 1960er Jahren ein willkommener Kronzeuge, dass man im Dritten Reich als „guter Nazi“ anständig bleiben konnte. Ich bin der Meinung, dass diese offene Auseinandersetzung und Aufarbeitung unserer Vergangenheit der Demokratie gut tut. Und sie dauert an.

Immer wieder müssen wir uns fragen, was das Vermächtnis des Widerstands gegen Hitler für unser heutiges politisches Handeln bedeutet. Wir leben in einer funktionierenden Demokratie mit der besten Verfassung, die die Deutschen je hatten. Sie ist vom sittlichen Prinzip der Menschenwürde durchdrungen. Wir leben bei allen Gefährdungen in einer geglückten Demokratie. Bleiben wir uns dennoch bewusst, dass Hitler kein Betriebsunfall der deutschen Geschichte war. Gewisse Entwicklungen in der deutschen Geschichte haben ihm den Boden bereitet. Die Deutschen hatten in ihrer Geschichte durchaus ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiheit. „Deutschland hat nie eine Revolution gehabt und nie gelernt, den Begriff der Nation mit dem der Freiheit zu verbinden“, sagt Thomas Mann. Die Deutschen hatten Schwierigkeiten, sich der Welt und gegenüber Europa zu öffnen. Ihnen genügte ihr „Deutschsein“. Und heute hören wir wieder den Ruf „Deutschland den Deutschen“. Wir müssen wachsam bleiben gegenüber allen Wiederbelebungsversuchen nationalistischer, völkischer und demokratiefeindlicher Art.

Wir müssen unsere Weltoffenheit verteidigen. Ein Land, das zwei Unrechtsregimes erlebt hat, muss besonders vorsichtig mit Freiheitseinschränkungen sein und immer hinterfragen, ob diese wirklich notwendig sind. Das Grundgesetz garantiert einen viel stärkeren Freiheitsschutz als andere Demokratien. Übrigens: Zurzeit versuchen völkische Politiker sogar, den 20. Juli für ihre Ziele zu vereinnahmen. Das ist eine zum Scheitern verurteilte Anmaßung.

Wir leben in einer Zeitenwende. Unsere Demokratie ist herausgefordert. Die Krisen dieser Welt haben uns erreicht – die nur schwer beherrschbaren Folgen der Globalisierung, die Finanzkrise, die Veränderung des Weltklimas, die Flüchtlingsbewegung, die weltweite Terrorbedrohung, die noch schwächelnde Europäische Union und auch die digitale Revolution. Viele Menschen empfinden angesichts dieser Lage Unsicherheit und lassen sich verführen. Wir erleben die Sehnsucht nach einfachen Lösungen, die Neigung, anderen die Schuld für die eigenen Probleme zu geben. Wir erleben bornierte Intoleranz und die Unfähigkeit zum Interessenausgleich. Diese Spießermentalität war auch eine Ursache für die größte Katastrophe in der deutschen Geschichte. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass heute Teile des Bürgertums von einer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ gegen Minderheiten infiziert sind, ähnlich wie am Ende der Weimarer Zeit. Dem mangelnden Vertrauen in unser politisch-soziales System können wir nur begegnen, wenn wir uns berechtigter Kritik öffnen und Fehler offen eingestehen. Die Politik ist gefordert, Misstrauen durch Vertrauensbildung abzubauen.

Es ist besorgniserregend, dass nicht nur „Ewiggestrige“, sondern auch junge Menschen sich wieder von neonazistischen Ideen und Gruppen angezogen fühlen. Ich habe das in meiner Heimatstadt Dresden erlebt, als grölende Neonazis in Springerstiefeln den Gedenktag an die Zerstörung der Stadt für sich usurpieren wollten. Es waren aber die Nazis, denen sie nachtrauern, die für die Zerstörung der deutschen Städte verantwortlich waren.

Besonders gefährlich ist die Verknüpfung des Rechtsextremismus mit gezielter Fremdenfeindlichkeit. „Öffentlich artikulierte Hassparolen, fremdenfeindliche Gewaltattacken, unverhohlener Rassismus im Internet sind inzwischen längst Alltag“ – kritisiert Salomon Korn, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, die Situation. Es ist ein bornierter, stupid-primitiver Hass auf alles Andersartige und Fremde, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Carl-Friedrich Goerdeler sollte Chef einer neuen Regierung nach einem erfolgreichen Umsturz am 20. Juli 1944 werden. Der erste Satz seiner geplanten Regierungserklärung sollte lauten: „Die Reichsregierung beginnt ihr Werk damit, dass sie die Staatsgewalt unter das Gesetz der Moral und des Rechtes stellt“. Im Grundgesetz und in der Gestaltung der Bundesrepublik hat sich dieses Vermächtnis niedergeschlagen.

Wir dürfen nicht dulden, dass durch Minderheiten fundamentale Teile unsere Grundrechtsordnung in Frage gestellt werden – wie das sittliche Prinzip der „Menschenwürde“ durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und die Religionsfreiheit. Es geht um Islamophobie, in der sich auch Antisemitismus verbirgt. Rechtsextremismus, Linksextremismus sind weitere Gefahren für unsere verfassungsmäßige Ordnung. Sie tragen infolge ihrer Irrationalität und Unberechenbarkeit und ihres Fanatismus ein gefährliches Gewaltpotential in sich, wie auch der dschihadistische Terror. Die Auseinandersetzung mit diesen Gefahren dürfen wir nicht den Sicherheitskräften und der Justiz allein aufbürden. Den Ursachen muss nachgespürt werden und den Motiven, die die einzelnen Täter haben. Ich habe den Eindruck, dass wir die jungen Menschen mit ihrer Verantwortung noch besser fordern können, allerdings auch ihnen zu wenig Beispiel sind. Wir müssen die tatsächlich bestehenden persönlichen Spielräume unseres sozialen und politischen Systems jungen Menschen verdeutlichen und uns ernsthaft mit den Umständen und Anlässen auseinandersetzen, die diese als beängstigend, bedrohend und einschnürend empfinden. Entscheidend sind hierbei nicht nur die Inhalte , sondern auch die Art und Weise des Umgangs miteinander, das heißt: das Glaubwürdige vorleben.

Die zivilisatorischen Errungenschaften der Nachkriegsordnung können ihre Kraft nur dann weiter entfalten, wenn wir sie immer wieder mit Leben erfüllen und verteidigen. Das betrifft auch die Vereinigung Europas. Ihr verdanken wir, dass wir unsere Freiheit voll entfalten konnten. Die Verfechter eines anti-europäischen Nationalstaats in unserem Lande haben wohl vergessen, dass das Grundgesetz uns in seiner Präambel aufgibt, „in einem Vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.

Wir müssen auch über unser Land hinausblicken. Gegen die Nazidiktatur haben Hitlergegner unter Einsatz des eigenen Lebens Widerstand geleistet – und in dieser Situation befinden sich auch heute Freiheitskämpfer in nicht wenigen Ländern der Erde. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel. Sie verschwinden in Foltergefängnissen, werden ermordet, ihr Widerstand wird kriminalisiert. Sie werden ausgegrenzt und um ihre Lebenschancen gebracht. Ihre Würde wird angetastet. Ich habe in den Jahren meiner Menschenrechtsarbeit in den Vereinten Nationen viele dieser Menschen getroffen. Sie sehen in uns ihre Verbündeten. Auch wenn unsere Mittel der Einflussnahme begrenzt sind, so erwarten sie, dass sie in ihrer Lage wahrgenommen werden, dass man sie ermutigt und ihnen hilft und nicht mit den Machthabern allein schon durch Gleichgültigkeit gemeinsame Sache macht. Oft ist diese Hilfe ohne Ergebnis, wie im Fall des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobos, dem es versagt wurde, als freier Mann zu sterben. Das darf uns nicht entmutigen!

Seien wir uns an diesem Gedenktag heute bewusst, dass der Widerstand gegen die Nazibarbarei dazu beigetragen hat, den Deutschen ihre Würde wiederzugeben. Er hat es uns erleichtert, gleichberechtigt in den Kreis der Völker einzutreten. Der Widerstand gegen Hitler ist heute noch ein wichtiges identitätsstiftendes Element für unsere Demokratie – aber nur dann, wenn wir uns immer wieder erinnern und die junge Generation in dieses Erinnern einbeziehen. Sie weiß darüber zu wenig.

„Weil die Verschwörer ihrem Gewissen folgten, wurde der 20. Juli zu einem der großen Tage der neueren deutschen Geschichte“, sagt der Historiker Heinrich August Winkler. Er nennt dann noch den 8. November 1939, als der württembergische Schreiner Georg Elser vergeblich versuchte, Hitler zu töten, und die Flugblattaktion der „Weißen Rose“ am 18. Februar 1943.

Thomas Mann spricht in seiner Rede zu Schillers 150. Todestag im Jahre 1955 in Würdigung des Dichters von der „rettenden Ehrfurcht des Menschen vor sich selbst“. Es ist diese „rettende Ehrfurcht des Menschen vor sich selbst“, die unser Handeln bestimmen sollte in einer Welt, in der die Rechte des Menschen heute an vielen Stellen in gröbster Weise missachtet werden. Und das ist auch das große Vermächtnis des deutschen Widerstands gegen die Nazibarbarei. Was sie im einzelnen auch getrennt haben mag, ob sie selbst zunächst verstrickt waren, ob sie zu spät gehandelt oder Fehler gemacht haben: das Entscheidende ist ihre Gewissensentscheidung und der Wille zur Tat. Es ging diesen Männern und Frauen um die Wiederherstellung der Würde ihres Landes, das dem Höllensturz entgegentaumelte.

Wir erinnern uns ihrer mit tiefem Respekt und Dankbarkeit.






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