Kranzniederlegung in Plötzensee

Vizeadmiral Andreas Krause,
Inspekteur der Marine


Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Plötzensee anlässlich des 75. Todestages von Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder am 9. August 2019


 


Sehr geehrter Schenk Graf von Stauffenberg,
sehr geehrter Graf von Stauffenberg,
sehr geehrter Herr Professor Dr. Tuchel,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,


die Zeit zwischen 1933 und 1945 gehört wohl zu den dunkelsten Epochen unserer Geschichte.


Nie zuvor waren Millionen Menschen Opfer von Krieg, Gewalt und Verbrechen geworden, um die Ziele eines von Grund auf verbrecherischen Systems zu verwirklichen.


Am 20. Juli 1944 versuchte eine Gruppe von Männern unter Einsatz ihres Lebens, diesem Grauen ein Ende zu bereiten. Ihnen waren die Konsequenzen ihres Tuns bewusst.


Sie begehrten auf gegen Unrecht, Diktatur und Menschenverachtung. Sie begehrten auf gegen Tyrannei, Verbrechen und Mord.


Sie traten ein für ein anderes Deutschland, für ein besseres Deutschland, für ein freieres Deutschland. Sie traten ein für die Beendigung des Krieges.


Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Oberleutnant Werner von Haeften, Oberst Albrecht Mertz von Quirnheim und General Friedrich Olbricht wurden nach dem Scheitern des Attentats noch in der gleichen Nacht im Bendlerblock standrechtlich erschossen. Generaloberst Ludwig Beck wurde, nach einem ihm ermöglichten Selbsttötungsversuch, von einem Feldwebel exekutiert.


Mehrere Hundert weitere Ermordungen folgten in den nächsten Monaten. Zu den Hingerichteten gehörten – und das wird oft nicht gewürdigt – auch Angehörige der Kriegsmarine.


Die Kriegsmarine hat sich insgesamt sehr schwer getan, den Widerstand gegen das NS-Regime zu unterstützen. Nicht nur der persönliche Eid auf Hitler hinderte viele Marineoffiziere daran, sich dem Regime entgegenzustellen. Die Attentäter des 20. Juli sahen in der Kriegsmarine einen Wehrmachtsteil, der dem Nationalsozialismus sehr nahe stand.


Insbesondere die Erinnerung an die Revolution 1918, die von der Kaiserlichen Marine ausgegangen war, lastete auf den Angehörigen der Kriegsmarine. Nie wieder wollte und sollte die Marine Ausgangspunkt für einen Aufstand sein.


Trotz dieses Eides und der Erinnerung an 1918 gab es dennoch einige Marineoffiziere, die ihrem Gewissen folgten.


Dieses hatte Vorrang vor dem Eid auf den „Führer“ eines verbrecherischen Regimes.


Unter diesen mutigen Männern waren der


Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg


und


Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder.


Das Scheitern des Attentats bedeutete jedoch auch für sie den sicheren Tod.


Am 10. August 1944 wurden beide nach einem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof hier im Gefängnis Berlin-Plötzensee an dieser Stelle am Fleischhaken erhängt.


Mit ihnen starb an diesem Tag hier auch der Verwaltungsbeamte und Reserveoffizier Dietlof von der Schulenburg, der ebenfalls aktiv am Widerstand beteiligt war.


Für uns sind diese Männer, die in einer der dunkelsten Stunden der Menschheitsgeschichte ihrem Gewissen folgten, heute zu Recht Vorbilder.


In dem wir sie heute ehren und uns ihrer erinnern, bringen wir auch unsere Haltung gegenüber denjenigen zum Ausdruck, die dieses verbrecherische System unterstützt und gestützt haben.


Die Widerstandskämpfer des 20. Juli halten all denjenigen den Spiegel vor, die nach dem Krieg ihr Mittun mit den Worten zu rechtfertigen suchten: „Man habe ja nicht anders gekonnt“, „Was hätten wir denn tun können?“


Alfred Kranzfelder und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg haben bewiesen, dass man auch in der Kriegsmarine anders konnte, dass es auch in der Kriegsmarine Alternativen des Handelns gab.


Dieser schlichte Balken mit den Fleischerhaken zeigt uns auf grausame Weise, wozu Menschen im Nationalsozialismus fähig und willens waren. Dieser Balken ist uns Mahnung!


Mit ihren Überzeugungen und Wertvorstellungen sahen sich die Männer des 20. Juli zum Handeln verpflichtet. Sie handelten, als andere schwiegen.


Sie erinnern uns an unveräußerliche Werte des menschlichen Zusammenlebens: an Frieden, Recht und Freiheit.


Sie folgten ihrem Gewissen und übernahmen Verantwortung für ihr Land, als andere wegsahen. Sie haben der Welt gezeigt, dass es auch ein anderes Deutschland gab. Sie waren dazu bereit, ihr eigenes Leben zu geben, um anderen das Leben zu ermöglichen.


Sie stehen für alle Menschen, die für Frieden, Recht und Freiheit kämpfen. Das Andenken der Männer und Frauen des Widerstands in Ehren zu halten, bedeutet also weit mehr als historisches Wissen zu vermitteln.


Die Deutsche Marine wird Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg nicht vergessen!


 


- Es gilt das gesprochene Wort -


 


 

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